Das japanische Gesundheitswesen im Überblick
Japan bietet eine kostengünstige, allgemeine Gesundheitsversorgung für alle seine Einwohner. In einem System, das darauf abzielt, allen Menschen den gleichen Zugang zu erschwinglicher medizinischer Versorgung zu ermöglichen, übernimmt die Regierung 70 % der Kosten. Die restlichen 30 % tragen die Patienten. Dieses System hat dazu beigetragen, dass Japan eines der Länder mit der höchsten Lebenserwartung der Welt ist.
Weiterhin eine angemessene Gesundheitsversorgung zu niedrigen Kosten zu gewährleisten, dürfte aufgrund des demografischen Wandels für die Regierung jedoch zu einer Herausforderung werden. Die Bevölkerung Japans altert schnell. Entsprechend steigen die Kosten für die Behandlung älterer Menschen von Jahr zu Jahr stetig an. Der Ausbruch von COVID-19 hat die Notlage eines Systems deutlich gemacht, das von der Pandemie fast überrollt wurde.
Obwohl das japanische Gesundheitssystem in vielen Bereichen unterbesetzt ist, verfügt es paradoxerweise über relativ viele Krankenhausbetten (Grafik 1). Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gab es 2018 in Japan 13 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner, deutlich mehr als in anderen entwickelten Volkswirtschaften mit universeller Gesundheitsversorgung wie Deutschland (8,0), Großbritannien (2,5), Schweden (2,1) und Frankreich (5,9). Dies verdeutlicht die Ineffizienz des japanischen Gesundheitswesens.
Grafik 1: Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner, 1985-2018
Quelle: Weltgesundheitsorganisation
Grafik 2 zeigt, was die Japaner als ideale Merkmale eines Gesundheitssystems ansehen: hohe Qualität, niedrige Kosten und jederzeit und überall zugänglich. Diese Ideale werden immer noch aufrechterhalten, wenn auch nur gerade so. Die Aufrechterhaltung dieser Ideale scheint jedoch das Gesundheitswesen und insbesondere das medizinische Personal zu belasten. In Zukunft wird sich Japan möglicherweise darauf konzentrieren müssen, die Qualität seiner medizinischen Behandlung zu erhalten oder zu verbessern und gleichzeitig sein Bestreben, eine kostengünstige und frei zugängliche Gesundheitsversorgung anzubieten, neu zu bewerten.
Grafik 2: Die drei Ideale des Gesundheitssystems
Quelle: Nikko AM
Bei aller Unzulänglichkeit des Systems macht die japanische Medizintechnik aber auch rasante Fortschritte. Patienten, die noch vor zehn Jahren als nicht mehr zu retten gegolten hätten, überleben heute dank des medizinisch-technischen Fortschritts. Sie können ihr Leben um viele Jahre verlängern und dabei eine gewisse Lebensqualität bewahren. Der Schlüssel zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten des Systems liegt unseres Erachtens in der Technologie.
Krebsbehandlung: Ein Beispiel dafür, wie Technologie Ineffizienzen beseitigen kann
Die Behandlung von Krebs, der häufigsten Todesursache in Japan, zeigt, wie Technologie Ineffizienzen beseitigen kann. Der blaue Balken in Grafik 3 zeigt das Verfahren für Krebspatienten nach dem derzeitigen System. Es kann je nach Krebsstadium variieren, aber die meisten Patienten durchlaufen zunächst eine Operation oder Bestrahlung mit dem Ziel der vollständigen Beseitigung der Krankheit. Ein Patient gilt als geheilt, wenn nach einer gewissen Zeit nach der Behandlung kein Krebs mehr festgestellt werden kann. Kehrt der Krebs jedoch zurück, erhalten die Patienten eine Rettungstherapie, um ihr Leben zu verlängern. Die derzeit in dieser Therapie eingesetzten Medikamente greifen nicht nur die Krebszellen an, sondern schädigen auch gesunde Zellen. Die Betroffenen leiden unter starken Nebenwirkungen wie Übelkeit, Haarausfall und nachlassender Leistungsfähigkeit, was ihre Lebenserwartung verkürzen kann.
Grafik 3: Traditionelle Krebsbehandlung
Quelle: Nikko AM
Die Einführung modernster Medizintechnik in die traditionelle Krebsbehandlung hat dazu beigetragen, das Leben der Patienten zu verlängern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Der Einsatz robotergestützter OP-Systeme in der Beseitigungsphase führt zu einer erheblichen Kostenreduzierung, da diese das medizinische Personal entlasten und die für die Operation und den Krankenhausaufenthalt erforderliche Zeit verkürzen. In nicht allzu ferner Zukunft dürften die Patienten vom technologischen Fortschritt bei Innovationen wie ferngesteuerten medizinischen Behandlungen und chirurgischen Eingriffen profitieren, bei denen Krebszellen entfernt werden, die bisher unzugänglich waren. Auf dem Gebiet der Rettungstherapie erwarten wir die Einführung einer gezielten Molekulartherapie, bei der Medikamente gezielt gegen Krebszellen eingesetzt werden, und einer Immuntherapie, die das körpereigene Immunsystem zur Bekämpfung der Krankheit anregt. Diese Behandlungen werden voraussichtlich die Lebenserwartung von Krebspatienten verbessern. So könnten beispielsweise Patienten mit einer Lebenserwartung von derzeit zwei Jahren mehr als zehn Jahre leben und dabei eine gewisse Lebensqualität beibehalten, wenn sie mit der neuesten gezielten Molekulartherapie, der Immuntherapie und anderen Behandlungen versorgt werden.
Robotergestützte OP-Systeme, mit denen Chirurgen komplexe Operationen mit größerer Präzision als mit herkömmlichen Methoden durchführen können, basierten ursprünglich auf Militärtechnologie, die von der US-Marine entwickelt wurde. Infolgedessen entfällt ein Anteil von schätzungsweise 80 % des Weltmarktes auf US-Unternehmen. US-Unternehmen haben den japanischen Markt für chirurgische Roboter beherrscht, seit das da Vinci Surgical System der Intuitive Surgical Company im Jahr 2000 eingeführt wurde. Allerdings laufen die Patente von da Vinci allmählich aus, was neuen Marktteilnehmern Chancen eröffnet. Derzeit ist das Robotersystem Hinotori, das gemeinsam von Kawasaki Heavy Industry und Sysmex Corporation entwickelt wurde, der Spitzenreiter unter den Neueinsteigern. Hinotori wird von einem Chirurgen ferngesteuert, der die 3D-Bilder eines Endoskops vor sich hat. Im August 2020 erhielt Hinotori als erstes in Japan entwickeltes robotergestütztes OP-System die Zulassung des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales.
Die Einführung von Hinotori in Krankenhäusern kam laut Ärzten keine Sekunde zu früh. Der Grund: Hinotori kann zu einem Bruchteil der Kosten von da Vinci (bis zu 1,8 Millionen Yen pro Operation) betrieben werden und damit eine große finanzielle Belastung für die Patienten abfedern, selbst wenn sie im Rahmen des allgemeinen Gesundheitssystems nur einen Teil dieser Kosten tragen müssen. Hinzu kommt, dass Ärzte für eine Operation 500.000 Yen zusätzlich zahlen müssen, nur um die Genehmigung zur Verwendung von da Vinci zu erhalten. Hinotori kann die Gesundheitskosten sowohl für die Regierung als auch für den Einzelnen senken, das unterbesetzte medizinische Personal entlasten und den Markt für chirurgische Roboter potenziell vergrößern. Der Weltmarkt, der derzeit auf 650 Milliarden Yen (ca. 6 Milliarden US-Dollar) geschätzt wird, wird in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich rasch wachsen. Bis 2030 könnte sich dieses Wachstum weiter beschleunigen, wenn sich 5G-vernetzte, ferngesteuerte Operationen durchsetzen und mehr Länder robotergestützte OP-Systeme einführen.
Zusammenfassung
Für Japan wird es angesichts der raschen Alterung seiner Bevölkerung schwierig sein, die derzeitigen Ideale des Gesundheitssystems – Qualität, Kosten und Zugänglichkeit – aufrechtzuerhalten. Das Gesundheitswesen wird sich ändern müssen, um mit dem demografischen Wandel Schritt zu halten. Dies kann bedeuten, dass die oben genannten Ideale priorisiert werden müssen, bietet aber auch die Möglichkeit, die Ineffizienzen des Systems anzugehen und zu korrigieren. Wir gehen davon aus, dass die Fortschritte in der Medizintechnik eine Schlüsselrolle bei Effizienzverbesserungen im Gesundheitswesen spielen werden. Robotergestützte OP-Systeme der nächsten Generation, wie z. B. Hinotori, können die Belastung des unterbesetzten medizinischen Personals verringern und die Kosten für Operationen erheblich senken. Der Markt für chirurgische Roboter wird erheblich wachsen und bietet Unternehmen neue Möglichkeiten, die die Vorherrschaft von da Vinci durch Innovationen anfechten. In Zukunft könnte die Entwicklung verschiedener Therapien und medizinischer Robotertechnologien eine Schlüsselrolle bei der deutlichen Verbesserung von Prognose und Lebensqualität der Patienten spielen. Derartige Entwicklungen dürften auch das Ansehen des Gesundheitssektors und seiner Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verantwortung verbessern.