Einleitung
Während sich der japanische Aktienmarkt nach einem deutlichen Rückgang zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 kräftig erholen konnte, blieb er im Jahr 2021 hinter seinen Konkurrenten zurück. Das Land kämpft mit der Eindämmung von COVID-19 und der langsamen Impfkampagne. Letztere nimmt jedoch nach langsamem Start Fahrt auf. Zudem bieten Japans Dividendenrenditen in einem Umfeld steigender Zinssätze potenzielle Anreize.
Nach anfänglicher Erholung trübt vierte Infektionswelle den Aktienmarkt
Japans Aktien wurden durch den Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 hart getroffen – sie fielen wie ihre globalen Konkurrenten deutlich. Danach erholten sie sich im Rahmen des globalen Marktaufschwungs, der durch eine aggressive Geld- und Fiskalpolitik in den großen Volkswirtschaften, insbesondere in den USA, unterstützt wurde. Bis zum vierten Quartal 2020 hatte sich die Börse in Tokio wieder auf das Niveau von vor der Pandemie erholt. Dies war zum Teil der relativ geringen Anzahl von Corona-Fällen zu verdanken. Strenge Abriegelungsmaßnahmen, wie sie in anderen Teilen der Welt getroffen wurden, waren nicht erforderlich. Eine Erholung der Auslandsnachfrage aus den USA und China, den beiden größten Handelspartnern Japans, förderte die Erholung ebenfalls, und der heimische Aktienmarkt entwickelte sich im Jahr 2020 gut.
Grafik 1: Entwicklung der Hauptmärkte ab 2020
Quelle: Bloomberg, Stand: 13. Mai 2021
Die spezifischen Faktoren, die zum Wiederanstieg des japanischen TOPIX-Index beigetragen haben, sind in Grafik 2 zusammengefasst. Wir haben den Zeithorizont in zwei Teile aufgeteilt. Die blauen Balken zeigen den Renditebeitrag der jeweiligen Branche im Jahr 2020, die orangefarbenen zeigen die gleichen Beiträge, die im laufenden Jahr bisher erreicht wurden. Die grüne Linie zeigt die Entwicklung der Renditebeiträge für den gesamten Zeitraum an.
Grafik 2: Renditebeiträge im TOPIX nach Branchen ab 2020
Quelle: Bloomberg, Stand: 13. Mai 2021
Drei wichtige Erkenntnisse aus Grafik 2: 1. Die starke Performance des japanischen Aktienmarktes im Jahr 2020 wurde von IT- und Kommunikationsdienstleistern (darunter Software- und andere IT-Dienstleister) angetrieben, während Finanzwerte aufgrund der Erwartung anhaltend niedriger Zinssätze eine Belastung darstellten. 2. 2. Branchen wie Finanzwerte, Immobilien, Versorger und Energie folgten dem gleichen Muster. Diese Sektoren wurden von der Pandemie im Jahr 2020 hart getroffen, erholen sich aber seit Anfang 2021 wieder. Hier erkennt man eine Marktverschiebung, die zu einer Sektorrotation führte, bei der die Anleger einige überverkaufte Aktien aufkauften. 3. 3. Die Technologiewerte waren im Jahr 2021 bisher unauffällig. Nach einem guten Start im ersten Quartal hat die jüngste Marktschwäche alle Gewinne wieder zunichte gemacht. Die jüngste Underperformance des japanischen Marktes im globalen Vergleich ist unserer Meinung nach auf eine neue Welle von Corona-Infektionen und die langsame Impfkampagne in Japan zurückzuführen.
Japans Impfanstrengungen sind langsam, aber sie beschleunigen
Viele der großen japanischen Ballungszentren befinden sich im offiziellen „Notstand“. Damit versucht die Regierung, eine vierte Welle von Coronavirus-Ausbrüchen einzudämmen. Der Notstand galt bis zum 31. Mai, wurde aber kürzlich bis in den Juni hinein verlängert, da neue Coronavirus-Varianten immer dominanter wurden. Die Schwäche des japanischen Marktes fiel mit der jüngsten Infektionswelle zusammen. Entsprechend dürften Impfungen eine Schlüsselrolle bei der Wiederbelebung des Marktes spielen.
Grafik 3 zeigt, dass andere Länder einen Vorsprung bei der Impfung ihrer Bevölkerung haben.
Grafik 3: Prozentualer Anteil der Bevölkerung, der mindestens eine Dosis des Impfstoffs gegen COVID-19 erhalten hat
Quelle: Our World in Data, Stand: 27. Mai 2021
Wir können zwei Hauptgründe für Japans langsame Einführung ausmachen. Erstens ist das Land bisher nicht in der Lage, einen eigenen Impfstoff zu entwickeln und bleibt daher auf Importe angewiesen, d.h. es muss im Wesentlichen warten, bis die impfstoffproduzierenden Länder ihre eigene Bevölkerung geimpft haben. In Japan gibt es einige pharmazeutische Unternehmen, die in der Lage wären, COVID-19-Impfstoffe zu entwickeln. Allerdings hat es die Regierung im Gegensatz zu Ländern wie den USA versäumt, ihren Pharmaunternehmen Anreize für eine zügige Impfstoffentwicklung zu setzen.
Zweitens gibt es in Japan ein besonders aufwändiges Zulassungsverfahren für Pharmazeutika – wegen zahlreicher Arzneimittelkatastrophen in der Vergangenheit – , das die Entwicklung und den Import von Impfstoffen erheblich verlangsamt.
So langsam gibt Japan jedoch Gas. Nach schleppendem Start kommen die Impfungen endlich in Schwung (Grafik 4). In Tokio und Osaka, den beiden größten Städten des Landes, wurden am 24. Mai staatliche Massenimpfzentren eröffnet, für deren Betrieb die Regierung das Militär einsetzt. Lokale Regierungen in anderen Regionen planen eigene Massenimpfstellen, etwa in Baseballstadien. Strenge Vorschriften werden außerdem aufgeweicht, damit Japan den Mangel an geeignetem medizinischem Personal, das die Impfungen verabreichen darf, in den Griff bekommt. Darüber hinaus hat Japan, wo bisher nur der Impfstoff von Pfizer zugelassen war, am 21. Mai grünes Licht für die Impfstoffe von Moderna und AstraZeneca gegeben.
Grafik 4: Gesamtzahl der in Japan verabreichten Impfdosen
Quelle: Büro des Premierministers und des Kabinetts, Stand: 27. Mai 2021
Wir sehen den japanischen Aktienmarkt in einer guten Position für einen Aufschwung, sobald eine signifikante Menge an Impfstoffen auf den Markt kommt und die Wirtschaft wieder geöffnet werden kann.
Konservative Prognosen der Unternehmen
Der Mai bildete den Höhepunkt der jüngsten japanischen Berichtssaison für das Gesamtjahr. Auffällig war die Divergenz in den Ergebnissen von produzierenden und nicht-produzierenden Unternehmen. Die Hersteller, einschließlich der Automobilindustrie und des Maschinenbaus, wurden durch die Pandemie aufgrund von Betriebsunterbrechungen und einer abgeschwächten Nachfrage zu Beginn des Jahres 2020 negativ beeinflusst. Der Sektor erholte sich jedoch in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres (bis März 2021) deutlich. Angetrieben durch die wachsende Nachfrage in den USA und in China verzeichneten die Hersteller einen Gewinnanstieg von 35 % für das Geschäftsjahr. Firmen aus dem Halbleitersektor meldeten dank des beschleunigten Einsatzes von Technologie und einer steigenden Endnachfrage starke Ergebnisse.
Die nicht-verarbeitende Industrie hatte dagegen mit den für 2020 und 2021 verhängten Ausnahmezuständen zu kämpfen. Da die Menschen aufgefordert waren, zu Hause zu bleiben, gehörten der Transportsektor, wie Eisenbahnen und Flugzeuge, sowie Restaurantketten zu den offensichtlichen Verlierern.
Insgesamt prognostizieren die Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr, das im April begonnen hat, ein Gewinnwachstum von 28 %. Wir glauben jedoch, dass diese Zahl noch weiter steigen könnte, da die Unternehmen wahrscheinlich konservativ mit ihren Prognosen sind.
Grafik 5 zeigt die Dividendenprognosen der im TOPIX notierten Unternehmen zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres seit 2010. Die Spalte ganz rechts zeigt die Zusammensetzung der jüngsten Dividendenprognosen im Verhältnis zum Vorjahr. Es ist zu erkennen, dass der Anteil der Unternehmen, die eine Dividendenerhöhung planen, mit rund 40 % die größte derartige Erhöhung in den vergangenen zehn Jahren darstellen würde.
Grafik 5: Dividendenprognosen der Unternehmen im TOPIX
Quelle: Okasan Securities, QUICK Workstation, Stand: 11. Mai 2021
Ein weiteres interessantes Merkmal ist der gelbe Balken, der anzeigt, dass eine relativ hohe Anzahl von Unternehmen ihre Dividendenprognose noch nicht veröffentlicht hat (wenn auch nicht so viele wie im letzten Jahr). Dies ist angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten verständlich. Aber auch diese Unternehmen haben das Potenzial, mit Dividendenerhöhungen aufzuwarten.
Die konservativen Prognosen sollten nicht überraschen, wenn man den Notstand, die aktuelle Wirtschaftslage und die langsame Impfkampagne berücksichtigt. Sobald die Impfungen voranschreiten und die Wirtschaft wieder öffnet, könnten unserer Meinung nach die konservativen Gewinn- und die Dividendenprognosen gegen Ende des Jahres nach oben korrigiert werden, was sich positiv auf die Marktstimmung auswirken wird.
Die Relevanz von Dividenden in Erwartung höherer Zinssätze
Japans aktuelles Dividendenrendite-Niveau und das potenzielle Aufwärtspotenzial der Dividenden verdienen Aufmerksamkeit. Grafik 6 zeigt die Dividendenrenditen von Japan (TOPIX) und den USA (S&P 500). Sowohl die US-amerikanischen als auch die japanischen Renditen sind in den vergangenen 12 Monaten inmitten einer Markterholung allmählich gesunken. Da jedoch erwartet wird, dass viele japanische Unternehmen in diesem Geschäftsjahr ihre Dividenden erhöhen, ist die japanische Rendite höher. Grafik 7 zeigt das relative Verhältnis zwischen den beiden Märkten (japanische Dividendenrendite geteilt durch US-Dividendenrendite); aus dieser Perspektive ist Japan derzeit attraktiver.
Grafik 6: Dividendenrendite in Japan, USA
Grafik 7: Relation der Dividendenrenditen von Japan und den USA
Quelle: Bloomberg, Stand: 13. Mai 2021
Grafik 8 zeigt die Aktienduration der beiden Märkte, d.h. die Anzahl der Jahre, die es theoretisch dauert, bis das investierte Kapital zurückgewonnen wird (der Kehrwert der Dividendenrendite). In Japan liegt sie bei 47 Jahren, in den USA bei 69 Jahren. Eine kürzere Duration kann als geringere Empfindlichkeit gegenüber Zinsänderungen ausgelegt werden, da der Anteil der Cashflows, die den Wert einer Aktie ausmachen, früher erwartet wird. Der japanische Aktienmarkt könnte daher besser abschneiden, wenn die Zinssätze steigen.
Grafik 8: Aktienduration (Anzahl der Jahre, bis das investierte Kapital zurückgewonnen wird)
Quelle: Bloomberg, Stand: 13. Mai 2021
Darüber hinaus hat der japanische Aktienmarkt aus einer breiteren Perspektive die Tendenz erkennen lassen, sich besser zu entwickeln als sein US-Pendant, wenn die US-Renditen steigen (Grafik 9). Diese Eigenschaft bietet Anlegern die Möglichkeit, bei steigenden Zinsen vom US-Markt mit seinem starken Engagement im Technologiesektor wegzudiversifizieren.
Grafik 9: TOPIX tendiert besser als S&P 500, wenn US-Renditen steigen
Quelle: Bloomberg, Stand: 30. April 2021
Zusammenfassung
Zwar hinkt der japanische Aktienmarkt aufgrund Corona-bedingter wirtschaftlicher Restriktionen und eines langsamen Starts der Impfungen seinen Konkurrenten hinterher. Doch sobald die Impfkampagne Fahrt aufnimmt, wird der Markt erhebliches Aufwärtspotenzial haben. Und obwohl die jüngsten Gewinnerwartungen der Unternehmen verständlicherweise konservativ waren, könnte eine Wiederbelebung der Wirtschaft zu Aufwärtskorrekturen bei Gewinnen und Dividenden führen, wobei letztere in einem Umfeld steigender Zinsen attraktiver werden könnten. Ein solches Umfeld wird auch eine Verlagerung von Wachstums- zu Substanzwerten begünstigen. Diese könnten von den langfristigen strukturellen Veränderungen, die sich in Japan vollziehen, profitieren.